Kennt der Qur’ân „Ungläubige“?
In vielen Aussagen, Berichten und Schilderungen in den Medien über den Islam werden immer wieder Nicht-Muslime als „Ungläubige“ bezeichnet, und der Eindruck verfestigt sich, dass dies das Wort sei, das der Qur’ân für diese Menschen festlegt.
Um es von vorneherein klarzustellen: Der Qur’ân kennt keine Menschen, auf denen der Ausdruck „Ungläubige“ zutrifft, und er unterscheidet nicht nur nach „Gläubigen“ und „Ungläubigen“. Es ist zuallererst ein Übersetzungsproblem, den Bedeutungsumfang arabischer Worte mit einem deutschen Wort annähernd korrekt wiederzugeben.
Islam wird als die Lehre angesehen, die Allah allen Propheten und Gesandten offenbarte. So heißt es z.B. in (3:67):
„Abraham war weder Jude noch Christ, sondern er war [arabisch: Hanîfan musliman] ein Hanîf und ein muslim, und er gehörte nicht zu den Götzendienern.“
Für Menschen, die sich zu einer Religion bekennen, verwendet der Qur’ân verschiedene Bezeichnungen. Hier die wichtigsten:
muslim (Plural: muslimûn)
Anhänger des Islam, jemand, der den Islam angenommen hat, d.h. das Bekenntnis, dass es nur den einen Gott gibt
mu’min (mu’minûn)
Glaubender, der Gläubige, jemand, der von der Wahrheit des Islam überzeugt ist
Hanîf (Hunafâ’)
Handwörterbuch des Islam, S.165
„...kommt im Kur’ân wiederholt als Bezeichnung derer vor, die die echte und reine Religion haben ...“
anSârî (anSâr)
Helfer, d.h. jene Menschen in der Stadt Yathrib (später: Medina), die Muslime geworden waren und den muhâjirûn aus Mekka Zuflucht und Schutz gaben
muhâjir (muhâjirûn)
Jene Muslime aus Mekka, die gezwungen waren, in Äthiopien oder Medina Zuflucht zu suchen
yahûdî (yahûd)
die Juden
naSrânî (nasârâ)
die Christen
majûsî (majûs)
Magier, Anhänger des Zoroaster/Zarathrusta
Sâbi’î (Sâbi’ûn)
Handwörterbuch des Islam, S. 620: „... Die Sâbi’er, von denen im Kur’ân die Rede ist, welche mit Juden und Christen an 3 Stellen zu den „Buchbesitzern“, d.h. Besitzern eines geoffenbarten Buches gerechnet werden, sind anscheinend die Mandäer, ... welche die Taufe durch Untertauchen vollzogen.“
ahlu`l-kitâb
„Buchleute“, „Buchbesitzer“, Angehörige einer Religion, die einem geoffenbarten Buch folgten wie die Juden, Christen, aber auch die Sâbi’er
banû isrâ’îl
die Kinder Israels
qaum lûT
das Volk Lots, bei denen Lot wirkte
quam nûH
das Volk Noahs
muschrik (muschrikûn)
jene, die Allah etwas an die Seite stellen, Polytheisten, Götzendiener
und schließlich
kâfir (kuffâr)
ein Wort, das oft (auch von Muslimen) mit „Ungläubiger“ wiedergegeben wird
Der arabische Stamm, von dem das Wort abgeleitet ist, hat einen ganz anderen Hintergrund. Muhammad Ali schreibt in The Holy Qur’ân, S. 1032:
„kafara bedeutet wörtlich er bedeckte, er verbarg oder verhehlte etwas (LL). Der Nichtgläubige wird kâfir genannt, weil er das Wohlwollen und den Gnadenerweis verbarg, die ihm von Gott erwiesen wurden, den Gnadenerweis, der sich auf die höhere oder moralische Seite des Lebens (LL) bezieht.“
Mit anderen Worten: Von jemandem, der kâfir genannt wird, wird nicht behauptet, er sei ohne Glauben (= ungläubig) oder ohne religiöse Überzeugung, sondern lediglich, dass er das verhehlt, nicht akzeptieren will, was Gott ihm alles an Gutem, an Rechtleitung erweist.
Unter diesem Aspekt sollte man die Wörter „Unglaube“, „Ungläubiger“ besser vermeiden, sei man nun Muslim oder Nicht-Muslim.
Näher an der Grundbedeutung sind eher Bezeichnungen wie „Nicht-Muslim“ oder „Andersgläubiger“.